Cultural Governance

Warum Cultural Governance?

Wenn Kulturpolitik Gesellschaftspolitik ist, wie immer wieder in kulturpolitischen Strategien hervorgehoben wird, dann kann sich Kulturpolitik nicht nur auf Gesellschaft beziehen, sondern Kulturpolitik muss auch von der Gesellschaft geprägt und gestaltet sein, in der sie wirken soll. Cultural Governance wurde 2007 als Leitbegriff und kulturpolitisches Grundmodell im Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ festgeschrieben. Der Begriff Governance greift dabei ein sich wandelndes Verständnis von Staatlichkeit und politischer Steuerbarkeit auf. Demnach erfolgt die kulturpolitische Steuerung nicht nur innerhalb des politischen Systems, sondern im Zusammenspiel der Akteure aus Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Im Idealfall werden kollektive, horizontale Entscheidungsprozesse unter der Beteiligung aller betroffenen Bevölkerungsgruppen initiiert, die sich sowohl auf die Phase der Entscheidungsfindung (also die Politikentstehung) als auch die Phase der Durchführung der zu treffenden Maßnahmen (Politikimplementierung) beziehen. In einer Cultural Governanceperspektive wird also das kooperative Miteinander verschiedener Akteure im kulturpolitischen Feld hervorgehoben.

 

Dabei geht es zunächst um Strukturen und Prozesse der Kulturpolitik und weniger um inhaltliche Dimensionen der Kulturpolitik oder spezifische Handlungsfelder. Nichtsdestotrotz hat die Art und Weise wie und mit wem kulturpolitische Themen ausgehandelt werden auch einen Einfluss auf die Inhalte und Zielsetzung von Kulturpolitik. Der Governanceansatz im kulturpolitischen Bereich ist nicht neu, da in den meisten westlichen Demokratien in der Kulturpolitik immer schon ein rahmensetzendes Politikverständnis vorherrschte und eine gewisse Staatsferne eingehalten werden sollte. In der Praxis zeigt sich aber, dass Kulturpolitik zum großen Teil immer noch im Parlament und in der Verwaltung entschieden wird, aber nicht im Zusammenspiel mit den Akteuren und Organisationen vor Ort, die meist nur für die Implementierung zuständig sind.

 

Darüber lassen sich unter einer Cultural Governanceperspektive unterschiedliche Themen der Koordination und Regelung im kulturpolitischen Bereich diskutieren – sie reicht von Fragen des Kulturmanagements über Kulturentwicklungspläne bis hin zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen. Darüber hinaus zeigen sich neue Governanceherausforderungen in der Koordination von Kulturpolitiken über verschiedene politische Ebenen (kommunen/Länder/Bund/EU) sowie über unterschiedliche Politikfelder (Stadtentwicklung, Wirtschaft, Bildung), denn viele kulturpolitische Schwerpunkte sind nicht mehr ohne die Zusammenarbeit mit anderen Politikfeldern zu bewerkstelligen (z.B. kulturelle Bildung, kulturelle Vielfalt). Insbesondere in Städten bedarf es auch einer stärker räumlich ausgerichteten Kulturpolitik, damit eine gerechte kulturelle Partizipation und Produktion ermöglicht wird. Eine Cultural Governanceperspektive stellt auch Fragen danach inwiefern die Kulturorganisationen die Werte und Ziele vertreten, die von ihnen kulturpolitisch gefordert werden: Nämlich offen und inklusiv zu sein sowie kulturelle Vielfalt und Toleranz zu vertreten. Doch gerade der Kulturbetrieb tut sich damit besonders schwer. Wenn Kulturpolitik Gesellschaftspolitik sein soll, dann muss man auch fragen, inwiefern Kulturorganisationen soziale Ungleichheiten reproduzieren und wie sie einen Beitrag leisten können, diese abzumildern.

 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass wir bislang noch viel zu wenig über kulturelle Governance und die damit verbunden Möglichkeiten aber auch Probleme sprechen. Deshalb haben wir uns programmatisch Institute of Cultural Governance benannt: denn wir wollen mehr als nur über kulturpolitische Inhalte sprechen, sondern auch die Strukturen und Prozesse in denen kulturpolitisches verhandelt wird.


 


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